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In einem Atemzug mit den Bayreuther Festspielen und der Passauer Orgelwoche nennt der Kenner mittlerweile die Ornbauer Öltage. Unvergleichlich ist hier der natürliche Fluss der Dinge, die Geschmeidigkeit und die Verinnerlichung des Extraktes in Bereiche, in die noch nie zuvor ein Mensch vorzudringen wagte. Ziel der hinter dem ehrgeizigen Projekt stehenden Aktionskünstler ist es einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, indem sie ihr Werk oder vielmehr durch ihr Werk für die Nachwelt konservieren!
Nun gut die Bilder haben uns längst verraten, Thema und Inhalt der Ornbauer Öltage war
natürlich eine neuartige Hohlraumkonservierung. So neuartig allerdings nun auch wieder nicht, denn laut Produktinformation wurde das Mittelchen bereits im Mittelalter (daher der Name?)
verwendet, um Schwert und Rüstung über Friedenszeiten zu retten. Daran hat sich bis heute wenig geändert, denn das US-Militär konserviert damit alles vom Degen bis zum
Flugzeugträger. Auch verwendet Günter Lehman es seit einiger Zeit und hartnäckige Gerüchte behaupten die Gerüche des Konservierungsöles wehten durch die heiligen Hallen von
MB-Classic. Einen aufwendigen wissenschaftlichen Test einer Fachhochschule im Auftrag der größten deutschen Autozeitung (ja das ist wohl Auto Bild) hat Fluid Film soebenst gewonnen.
Natürlicher Grundstoff
Hier bietet es sich an, das technische Datenblatt für Fluid Film Liquid A
zu zitieren: "Korrosionsschutzöl auf Lanolinbasis (Schafswollfett)..., frei von gesundheitsschädlichen und feuergefährlichen Anteilen, verträglich mit Dichtungsstoffen und Lackanstrichen." Ein Wundermittel also, ohne
Gefahrenhinweise zum Spiegelei drin braten. Nun ja, geschmacklich ist das sicher nicht ganz optimal und ein bisschen brennbar ist das ganze schon, wenn größere Mengen direkt in eine Schweißflamme geraten.
Dafür ist es eine völlig neuartige Erfahrung, wenn man aus der Werkstatt mit erstklassig gepflegten Händen nach Hause kommt, denn Lanolin ist
auch ein Grundstoff der Kosmetikindustrie. Mit der Parfümbeigabe war der Fluid Film Hersteller allerdings etwas zurückhaltend und so bleibt als einziger Verarbeitungsnachteil ein komischer, leicht ranziger Geruch, der aber bei
weitem nicht so kritisch wirkt, wie die berauschenden Lösungsmitteldämpfe von herkömmlichen Hohlraum-Wachsen. Wer jetzt sagt:" naja, das verfliegt doch", kommt auf den Punkt, der überzeugt, denn wenn die
Lösungsmittel verflogen sind, schützt das Wachs nicht mehr ausreichend!
Fluid Film dagegen bildet einen, wie der Name schon sagt hauchdünnen Film, der mit (Luft-)
Feuchtigkeit geliert und so das Metall vor Rost schützt und Anrostungen verkapselt. Die spektakulärste Anwendung ist die Konservierung von Balastwassertanks in Frachtschiffen. Diese Tanks im unteren Teil des Schiffsrumpfes werden mit See- (Salz-!!!) -Wasser geflutet, wenn ein Schiff entladen wird und sich
dadurch der Schwerpunkt verschiebt. Der ständige Wechsel zwischen Salzwasser unnd Luftsauerstoff schafft ein optimales Klima für Rostbildung. Das Lanolinöl, das entweder aufgespritzt oder durch Fluten in Verbindung
mit Wasser (vgl. Ablagerungen im Spülbecken nach einer Mörderabwäsche) aufgetragen wird, bleibt in diesem Bereich 10 Jahre wirksam! Somit sollte sich damit ein Auto doch ganz brauchbar konservieren lassen.
Für den Einsatz am und im Altwagen empfiehlt sich ein Auftrag mit der Saugpistole. In die mehr
oder weniger vorhandenen Bohrungen muss man einen langen Schlauch einführen und dann erst abdrücken und zurückziehen. Niemals den Schlauch mit Gewalt hineinwürgen bzw. während des Sprühens vorwärts schieben, denn wenn der Schlauch knickt, zischt das Material aus der Entlüftungsbohrung direkt in oder an den Himmel
(s.Bild); noch in drei Meter vierzig Höhe tropfte es! Die Versiegelungsöffnungen varrieren je nach Fahrzeugtyp und lassen sich mit gesundem Technikverstand leicht auffinden. Das klingt jetzt zwar ziemlich banal ist aber hilfreicher als die
relativ sinnlosen Originalpläne, weil diese auf möglichst geringen Zerlegeaufwand ausgelegt sind und, mal ehrlich, wenn MB seinerzeit gewußt hätte, wo die Autos rosten, hätten wir das Problem gar nicht. Grundsätzlich sind alle Längs-
und Querträger zu behandeln. Man sollte sich mit Hilfe des Ersatzteilkataloges einfach mal in die Struktur des Blechs vertiefen und schauen, wo Hohlräume versteckt sind. Versiegelt werden
muss überall da, wo schlechte Autos rosten (Radläufe Türunterkanten...).
Besonders eklig aber wichtig ist der Lüftungskasten und auch andere kleine Gemeinheiten
dürfen nicht vergessen werden z.B. hinter den verschraubten Schottwänden in den vorderen Radkästen. Diese mit Unterboden-"Schutz" oder irgendwelchem Kitt abzudichten, ist nicht nur sinnlos, sondern im Gegenteil sogar rostfördernd, weil das Wasser schließlich in erster Linie von oben und erst dann vom
Rad kommt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unbedingt loswerden, dass ich jede Art von zusätzlichen Schottwänden und Radhausschalen für groben Unfug halte, weil hier neue nicht einsehbare Hohlräume entstehen, in denen
sich von oben eindringendes Schmutzwasser staut! Regelmäßige Reinigung und Sichtung bevorzugt in Wagenfarbe lackierter Radkästen ist hier die bessere Wahl.
Bohrer in Schweller "Das tut weh - muss aber sein! Diesen ohnehin
schon etwas
verschweißten Flossen-Schweller entstellt ein unoriginales Loch kaum merklich. Auch
wenn man etwas diskreter bohrt, ist es wichtig, fliegende Späne zu verhindern. Dazu wählt
man eine niedrige Bohrdrehzahl und taucht den Bohrer in zähes Fett."
Zur Auswahl der Fahrzeuge
Zum Ölbad waren angetreten eine kurze 230er Heckflosse, ein 69er /8 Coupé, ein W108 von 1970, ein 350SL W107 aus dem ersten Produktionsjahr, ein nahezu neuwertiger 75er 230.6 /8, ein etwas angegammelter 280E /8 Baujahr
'75, bei dem die Verträglichkeit mit anstehenden Schweiß-, Spachtel-, und Beilackierarbeiten untersucht werden sollte und schließlich eines der letzten 230CE W123 von 1985. Dabei galt wie erwartet: "je neuer desto leichter"oder
aber "je älter desto bohr", denn erst seit 1971 haben die Karosserien eine zunehmende Zahl von Konservierungsöffnungen (Stöpsel auf, Brühe rein, Stöpsel zu und fertig). Eine Möglichkeit des Hohlraumzugangs bietet
sich durch ggf. vorhandene Lackablauflöcher und Belüftungsbohrungen für die Tauchgrundierung (z.B. Querträger im Flossen-Innenraum).
Eine echte Überraschung aber war unser neuester Kandidat, das topgepflegte 123 Coupé aus
dem Baujahr 1985. Getreu der alten Weisheit, dass gerade die späten 123er sehr gut werkskonserviert und damit rostresistent sind, hatten wir hier eigentlich nicht mit
Komplikationen gerechnet und wollten den Wagen eigentlich nur zum Vergleich der Hohlraumzugänglichkeit mitlaufen lassen, aber weit gefehlt. Der bildhübsche Zweitürer wurde
zum Beweis für die "Fluid-Film"-Werbeargumente, denn die originale Wachskonservierung hatte nach Verlust des Lösungsmittels ihre Wirkung verloren und befand sich in Bröselform in
den Hohlräumen.
/8 mit zerlegten Türen "Irgendwie ist es schon eine Sünde einen jungfräulichen Wagen zu zerlegen. Eine Hohlraumkonservierung ist jedoch ein schönerer Grund, als eine spätere Sanierung der ansonsten unvermeidlichen Rostschäden. Die Sitze beließen wir an Ort und Stelle, weil die schwergewichtigen Dinger denkbar schlecht zu handeln sind; eine Seite ist scharfkantig und die andere hochempfindlich."
Auch die Theorie "wenn die gewußt hätten, was sie tun..." fand noch eine letzte Bestätigung, denn der vom
Gepäckabteil, nach Demontage einer Kunststoffverkleidung, zugängliche Hohlraum des Abschlußblechs unterhalb der Rücklichter erwies sich als versiegelungs- und damit leider nicht
als rostfrei. Die Bilder auf diesen Seiten dürften für sich sprechen. Bei der Nachahmung dieser optimalen Hand- und Hohlraumpflege wünschen die Künstler viel Erfolg.
107erSeitenteil von innen
"Bei Viertürern läuft Wasser in die hintere Tür - und
die rostet dann durch. Die Zweitürer haben statt der Tür ein verlängertes Seitenteil und wahlweise auch einen Verdeckkasten, so dass praktisch der Wagenkörper geflutet wird und demzufolge durchrosten will. Es ist also zwingend erforderlich
die hinteren Seitenverkleidungen zu demontieren und die Wege des Wassers mit Fluid-Film auszukleiden. Was sich die Konstrukteure unter den Wasserwegen vorgestellt haben läßt sich jedoch kaum entschlüsseln; bei diesem 71er
350SL endet der Ablaufschlauch auf halber Seitenteilhöhhe, damit sich das Wasser gleichmäßig in alle Hohlräume verteilen kann???!"
3 Autos vor der Halle
"Auch wenn es sich um ein Bio-Produkt handelt, ist die anfangs austretende Restmenge unter den Zuschauern nicht gern gesehen, so daß man den Wagen zunächst auf etwas Pappe parken sollte. Nach einer sommerlichen Woche hat sich die zuviel eingesprühte Menge aber verlaufen und der erwünschte haltbare Film eingestellt."
123er Radkasten
"Zwischen den ausgehärteten Wachsresten zeigt sich ein brauner Streif am Radlauf-Horizont, der sich über kurz oder lang ins Freie rostet!"
Abschlußblech W123
Bild unten links: "Im Reparaturleitfaden "Lackierung" steht, dass Teile mit mehr als 5mm Unterrostung zu ersetzen sind. Wir werden sehen, wie standhaft sich dieses 123er Abschlußblech nach der Lanolinbehandlung zeigt, die hier nicht in Konkurrenz zum Wachs tritt, denn dieses Teil wurde seinerzeit im Werk glatt vergessen!”
Bild oben rechts: "Ein weiterer Vorteil von Fluid- Film ist, dass es filigrane Teile wie die /8-Achsaufnahme schützt ohne Wasserabläufe zu verstopfen und Gummiteile anzugreifen. An der hier gezeigten Konsole ist es sehr wichtig, größere Mengen in das versenkte Schraubloch des Lenkgetriebes zu jagen, denn ein Löchlein im Distanzrohr läßt Wasser in den Rahmen laufen, das die eingesetzte Verstärkung gefährdet"
Wer eine Teilnahme an den 2000er Öltagen in Betracht zieht, dem sei gesagt, dass ähnlich wie bei den eingangs genannten Konkurrenzveranstaltungen die Karten längst vergeben sind. Die glücklichen Gewinner sind eine 220SE Heckflosse, ein W111 250SE Coupé, ein 350SE W116, ein /8 lang und ein /8
Binz-Kombi. Wir werden über besondere Vorkommnisse berichten und natürlich auch die bereits behandelten Patienten im Auge behalten. Erste Ergebnisse zeigte das Gammelmobil (ich darf das sagen, weil ist sich mein Auto), bei
dem sich der dünne Film in der Nähe von Schwießnähten nicht in Flammenkaskaden verwandelte, wie man es von dickeren Fett- oder Wachsschichten kennt. Vor Lackierarbeiten lässt sich das Lanolin problemlos mit allen
gängigen Lösungsmitteln entfernen. Wer nach soviel Werbegetrommel noch nicht genug hat, der erhält unter www.fluidfilm.de noch
mehr davon. Wenn es aber einfach die für ein Auto ausreichende Menge von drei Litern für 59.25DM + Versand sein soll, dann genügt ein Anruf bei den Lehmannns (09156-1447).
michael rohde
Konservierungspläne MB-Zentralkundendienst
Hohlraumkonservierungsplan STRICH-ACHT
Hohlraumkonservierungsplan W108/109
Hohlraumkonservierungsplan W123