Den 6.3er find ich gut -
Oder: Eine effektive Art, sich zu ruinieren

 von Thomas Maczkiewicz

1. Karosserie

Sonderausstattungen faszinierten mich schon immer, was mir zum Verhängnis werden sollte. Aber dazu später mehr. Mein vorletzter Wagen, ein 280 E/8, paßte genau in dieses Bild, da er von der Velourspolsterung über die Scheinwerferreinigungsanlage bis hin zur Klimaanlage vieles besaß was mir gefiel. Für 750,00 DM plus einem Autoradio und einer Sackkarre konnte ich das Fahrzeug erwerben und war danach begeistert und pleite. Dieser Zustand sollte die nächsten Jahre anhalten. Für den Erlös meines 123er (ein 250, Bj. 77) , den ich zu der Zeit fuhr, wurde ich um mein Geld, der /8 auf Vordermann und auch durch den EDV gebracht. Bis auf einige Wartungsarbeiten machte ich ziemlich wenig selber an diesem Auto. Aber mein unvergleichlicher Tatendrang brachte mir einiges Wissen und meinem Auto einige Schäden bei. So zum Beispiel als ich bei Reinigungsarbeiten im Motorraum einen kleinen Stift abgebrochen hatte, der, wie ich später erfahren sollte, ein zur elektronischen Einspritzanlage gehörender Temperaturfühler war.

Bild 1: "Dem Bosch-Dienst kam die Sache ziemlich arabisch vor."


Polizeiflossenaufgebot in AfrikaNach meiner Putzaktion glänzte zwar der Motorraum, aber der Wagen sprang nicht mehr an - überhaupt nicht mehr. Also ab zum Bosch-Dienst. Der prüfte den Motor und ich meine Finanzen. Den Fehler fanden sie nicht, aber die Ursache. Der Motor war unglaublich fett eingestellt. So fett, daß er sogar noch mit extrem hohen Abgaswerten lief  (ca. 6,0 Vol% CO), als der Mechaniker den Einspritzcomputer auf NULL regelte, also kein Sprit mehr durch die Magnetventile kam. Schließlich vermutete man einen Fehler im Computer, den zu finden aber aufwendig sein würde. Schließlich zeigte ich im Gedenken an meine Putzaktion auf den Temperaturfühler, was dem Mechaniker die Erleuchtung brachte.
War wohl ein zu einfacher Fehler. Ein Ersatzteil für nicht mal 20 Mark legte den Wagen lahm. Durch den geschickten Abbruch des Fühlers meinerseits wurden der Elektronik tiefe Minustemperaturen vorgegaukelt , so daß diese das Gemisch außerordentlich FETT stellte. Dieses konnte so nicht mehr vollständig verbrennen und floß die Zylinderwände runter in die Ölwanne. Der Beweis war der Ölstab, der zweimal Maximum anzeigte und mit Hilfe eines Feuerzeugs zum Brennen gebracht werden konnte. Allein die aufsteigenden Benzindämpfe hielten den Motor am laufen (Übrigens ist diese extreme Ölverdünnung dafür verantwortlich, daß sich kaum noch Ölruck aufbaute und ich, schwer geschockt, mit dem Schlimmsten rechnete). Wie immer hatte ich meine Euphorie mit barer Münze bezahlen müssen. Irgendwann stand mir der Sinn nach einem anderen, größeren Benz. S-Klasse. Jawoll. So einen wollte ich. Nur welchen? Mein Vater besaß mal einen 280 S, aber so einer sollte es nicht gerade sein. Eines gemütlichen Winterabends bei Rudi in der Garage wurde ich auf den rechten Weg gebracht, als er folgende Geschichte erzählte. Anfang der 70-er fuhr er Minis, diese englischen. Und da er auch noch ein Mann des Motors war, machte er die Maschinen heiß und die kleinen Autos flitzten beim Start allen anderen davon. Er machte sich einen Riesenspaß daraus, an zweispurigen Straßen vor einer Ampel links neben dem dort stehenden Wagen zu halten. Er fuhr vor zur Ampel, ließ den Wagen wieder zurückrollen, um erneut zur Ampel vorzufahren, bis es endlich grün wurde. Dann gab er Vollgas und die anderen Wagen hatten das Nachsehen, weil sie mit dem kleinen Flitzer nicht mithalten konnten - bis auf jenen schicksalhaften Tag, an dem er neben einem Mercedes der Baureihe 109 hielt und begann, sein übliches Beschleunigungsspielchen vorzubereiten Die Ampel wurde gelb und - grün. Er startete gewaltig los, riß die Gänge rein, fuhr jeden einzelnen bis zur Drehzahlgrenze aus blickte lachend wie siegesgewiß aus seinem Seitenfenster. Schon verging ihm das Lachen, denn der von ihm vermeintlich abgehängte Wagen befand sich neben ihm. Zwei Frauen saßen drin.

Bild 2: "Und da war sie wieder, meine Euphorie: Haben wolln."

Haben wolln

Die Fahrerin lachte ihn an während die Beifahrerin mit Lippenstift ein Stück Pappe beschrieb, welches sie dann Rudi zeigte. Er las nur zwei Zahlen: 6.3! Mehr hätte er auch nicht lesen können, denn schon zog die Limousine davon und Rudi verkaufte seinen Mini. Sehr interessanter Wagen dachte ich. 300 SEL 6.3. Ja, das wäre was für mich. Ein teures Wahnsinnsauto, das ich mir nicht leisten konnte, von dessen Technik ich keine Ahnung hatte und das auch sonst drei Nummern zu groß für mich war. Es sprach also alles dafür. Und da war sie wieder, meine Euphorie. Haben wolln. Aber nach dem Studium einiger Anzeigen war klar: So einen gibt es nicht. Da war aber noch der 3.5er. Sehr gute Alternative. So einen gab es dann. Ich erstand schließlich ein recht schönes Auto mit roter Lederausstattung und Klimaanlage (aaaaahhhh, Sonderausstattungen) und zwei Jahren TÜV. Vom Feinsten also. Auch wenn er leichte Gebrauchsspuren aufwies, er kam einfach gut und ich war recht zufrieden. Vielleicht wäre es so geblieben, hätte ich nicht in einem Anzeigenblättchen folgende Annonce gelesen: 300 SEL 6.3, guter Zustand, fahrbereit. VB 14.900,00 DM". Hmmm, ein 6.3er also. Ich hatte ja noch keinen gesehen, fuhr also hin und betrachtete dieses Auto, das seit 3 Jahren in der Wiese stand und das, mangels Luft in der Federung, ziemlich platt darniederlag. Ebenso fehlten ein paar Teile. Dennoch war der erste optische Eindruck nicht schlecht. Aber wäre es nicht unvernünftig, ein gutes gegen ein schlechtes Auto einzutauschen, nur weil es ein 6.3er ist? Ich hatte hier also die Chance, gleich mehrere Fehler auf einmal zu machen. Diese Chance nahm ich war. Denn was sah ich dort unter dem Armaturenbrett: Ein Autotelefon - original. (Sonderausstattungen, jaaaaa). Jetzt wurde es interessant. Schon kam der Verkäufer und öffnete die Motorhaube. Tja, ziemlich großer Motor. Eine Batterie kam rein, die Maschine wurde gestartet und - sie lief. Mit was für einem irren Motorsound (Mein erster Wagen wurde übrigens ein 230.6/8, weil der so eine tollen Sound hatte, besonders in Tiefgaragen). Jetzt war ich mir fast sicher. Was mich endgültig überzeugte? Na, die beiden elektrischen Wasserpumpen an der Stirnwand. Die hatte mein /8 auch. Für die Scheinwerferreinigungsanlage. Sollte dieser Wagen vielleicht....? Ja, der Brief bewies es: "Mit Bosch Scheinwerferreinigungsanlage". O.K. Es war klar. Ich mußte dieses Auto haben. Ich tauschte also meinen guten 3.5er gegen dieses Fahrzeug ein, ohne auch nur im geringsten zu wissen, auf was ich mich da einließ.

aktuell63story 

Bild 3: "Mit dem 6.3 mußt Du die Soundprobe nicht in der Tiefgarage machen!"


Schon die Probefahrt war ein Horror. Schließlich funktionierte die Servolenkung gar nicht, die Bremsen fast nicht und von der Beleuchtung tat es nur das Bremslicht hinten links. Aber was soll es mich belasten. Ich mußte schließlich erst mal die Beschleunigung ausprobieren und gab ihm den Kick-down. Was passierte? Ein Kugelgelenk vom Gasgestänge verklemmte in Vollgasposition an einer Schlauchschelle. Das mitten in der Stadt. Der Wagen zog dermaßen los, daß man nicht mehr wußte, wo man sich festhalten sollte (subjektives Empfinden). Obwohl ich mit beiden Füßen auf der Bremse stand, ließ sich das Auto kaum davon abbringen, nach vorn zu jagen, bis der Verkäufer nach einer Schrecksekunde (-minute) die Zündung ausschaltete. Erst herrschte Ruhe - dann aufatmen. Aber nicht mal dieses Ereignis konnte mich noch von meinem Vorhaben abbringen, den 6.3er zu nehmen. So hatte ich einen Wagen gekauft der sich, wie nicht anders zu erwarten war, als Ruine entpuppte (im Laufe der folgenden Restauration wirkte dieser Begriff allerdings noch geschönt). Aber immerhin gab es da noch eine Sache. Der Wagen besaß die Fahrgestell-Endnummer 006525. Es war also der vorletzte gebaute 6.3er. Na also, her damit.
Er war gekommen. Der Tag, an dem ich meinen 6.3er abholen konnte. Ich dachte noch daran, ob die Luftfederung wohl funktionieren würde. Bestimmt wäre es sehr aufwendig und teuer, hier Reparaturen durchzuführen. Aber was sollen diese negativen Gedanken. Schließlich stand das Auto bei den Besichtigungsterminen immer oben (Mir fiel erst viel später auf, das bei meinen Besuchen der Motor immer warm war oder sogar lief, die Anlage also richtig Druck hatte). Ich glaubte also den Worten des Verkäufers (,,der bleibt 3 Monate oben") mehr als meinem Vorstand (wo war der bloß). Im Bürgerlichen Gesetzbuch nennt man sowas einen ,,die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit". Sowas muß hier abgelaufen sein. Oder sagte er gar nicht 3 Monate, sondern 3 Stunden? Das paßte nämlich genau. Wie dem auch sei. Im Zeitpunkt des Abholens (wie auch später) war mir jeglicher negativer Gedanke fremd. Also ging es los mit dem neuen Auto. Meine Schwester fuhr als Begleitschutz hinterher. Es war ein großartiges Gefühl am Steuer des 6.3ers zu sitzen. Jedoch bedeutete der Blick in den Innenspiegel wenig Gutes, da meine Schwester die Lichthupe ihres Wagens betätigte. Sicher nicht, um die fabelhafte ,,ikonengoldene" Lackierung (DB 419) schimmern zu sehen. Nein, die Räder eierten. Kein Wunder, denn ein fachmännischer Blick auf die Felgen offenbarte gerade mal 2 Schrauben pro Rad, die wohl auch nur handfest (so schien es) angezogen waren. Das war nun kein weiteres Problem. Die Schrauben zog ich eben an und weiter gings zur erstbesten Tankstelle um mal grob nach der Technik zu sehen. Wasser, Öl? Soweit alles klar. Beleuchtung? Außer dem Bremslicht hinten links funktionierte nichts. Ich war jedoch vorbereitet. Eben ein paar Lämpchen rein, schon leuchtets. Grundsätzlich ein hervorragender Gedanke. Hier scheiterte jedoch schon der Versuch ein Lämpchen in die Fassung zu stecken an der fehlenden Fassung (Tja, der Rost) -das Lämpchen landete im Kofferraum. Sollten die 3 Jahre in der Wiese rostmäßig doch geschadet haben? Nein! (Oder doch?). Da meine Schwester hinter mir herfuhr, konnte ich die mangelhafte Beleuchtung vergessen. Wir fuhren also weiter. Aber nicht lange, da qualmte es aus dem Motorraum. Wieder anhalten und die Motorhaube öffnen. Das ging jedoch nicht sofort, da beim ersten Griff der Seilzug zum Öffnen der Motorhaube riß (also dem Verkäufer passierte das nie). Mit einer Zange schaffte ich es dennoch die Haube zu öffnen und blickte auf einen gerissenen Wasserschlauch. Zum Glück war es der obere direkt am Kühler, so daß ich mittels des mitgebrachten Dichtbandes (aus meinem 6.3er Notfallpaket ) die schadhafte Stelle flicken konnte. Jetzt wurde es selbst mir ein wenig mulmig und ich wartete gespannt darauf, was als nächstes passieren würde. Ich sollte nicht lange warten, denn bei einem stärkeren Bremsmanöver löste sich, aufgrund der weggerosteten Halterung, ein Zierrahmen der vorderen Scheinwerfer und rutschte ein Stück über die Straße.
Zu Hause angekommen bockte ich das Auto mit dem (nagelneuen) Wagenheber erstmal hinten hoch, um nach dem Zustand des Bodenblechs zu sehen (das sollte man unbedingt erst nach dem Kauf tun). Insgesamt machte der Unterboden einen ganz passablen Eindruck (na also, aber abwarten). So wollte ich den Wagen wieder ablassen,kurz vorm börn out (5kB) was aber leider nicht ging. Er blieb hinten oben. Na prima, dachte ich, ein Defekt an der Luftfederung, den zu beheben ich leider nicht in der Lage war. Aufgrund mangelnder, nein fehlender Kenntnisse konnte ich keine Luft ablassen und fuhr das Auto eben als Dragster. Der nun vorhandene extreme positive Sturz machte das Fahren jedoch nicht zu einer Freude (obwohl, 6.3ermäßig gesehen war's der Renner, da beim kleinsten übermäßigen Gasgeben die Räder ohne Ende durchdrehten). Der Federungskomfort tendierte gegen Null. Ehrlich gesagt. Bei dieser Fahrwerkshöhe federte er gar nicht mehr. Das war in diesem Moment aber nur für die hinten sitzenden Leute schmerzhaft, da der völlig durchgesessene Fahrersitz die gröbsten Stöße sauber abfing. Die bisher erlebten Übelkeiten mit diesem Auto hinderten mich jedoch nicht daran, mal auszuprobieren, ob dieses Ding tatsächlich den Asphalt von der Straße holt.

Bild 4: "6.3er mäßig war’s der Renner, da beim Gasgeben die Räder durchdrehten"


Dazu fuhr ich mit einem Kumpel auf eine leere, gut einsehbare Landstraße, die deutlich gerade war und tat das, wovon der Kenner generell abrät: Vollgasfahrt aus dem Stand (ausländisch ,,burn out", sprich börn out). Die Straße war leer, die Stoppuhr bereit. Also dann: Drauf! Und los gings. Die Stoppuhr zeigte bereits einige Sekunden an, der Motor heulte, aber irgend etwas stimmte nicht. Ich sah auf den Tacho. Der Zeiger tat, was er tun muß, er zeigte. und zwar auf 80. Aber das Auto stand. Der Blick aus dem Heckfenster löste das Rätsel. Hinter dem Auto befand sich eine Nebelwolke, die aufgrund der herrschenden Wetterlage wohl nur künstlich erzeugt sein konnte, die Reifen waren soeben im Begriff, zu Slicks zu mutieren. Waaaahnsinn, dachte ich und ging etwas vom Gas. Das nutzte der Wagen. um mit der plötzlich vorhandenen Bodenhaftung und ausbrechendem Heck stürmisch davonzubrausen, wobei das Quietschen und Qualmen der Reifen allerdings kaum aufhörte. Das hört sich alles ziemlich unwahrscheinlich an, wie? Seemannsgarn, hä? Klar. Aber da gibt es noch viel mehr Geschichten, die man von 6.3er-Besitzern so hört; z.B. daß sich unter extremen Beschleunigungsbedingungen die Felgen in den Rcifen durchgedreht haben sollen, die Kardanwelle, die sich zum Korkenzieher gedreht hat, Differentiale, die ihre Zähne verloren haben und auch in Fetzen fliegende Hardyscheiben, die, so riet man mir, ich doch gleich im praktischen Zehnerpack kaufen sollte. Zudem sollen frühe Modelle auch Risse im Rahmen gehabt habe, die jedoch nicht auf einen Unfall, sondern auf die enorme Kraft des Motors zurückzuführen waren. Dabei ist anzumerken, daß mir diese und weitere Geschichten von den verschiedensten Leuten (alles keine Seeleute) erzählt wurden.

An Anektoten fehlt es nicht (5kB) 

Bild 5: "An 6.3-Anekdoten fehlt es jedenfalls nicht!"


Die halfen allerdings auch nicht dabei, das Auto zu reparieren. Wo und vor allem wie sollte das geschehen. Ersteinmal mußte ich einen Ort für die Restauration finden, den ich später auf einem Bauernhof auch fand. Schön, schön. Jetzt folgte der angenehme Teil. Die Restaurierung. Angenehm jedenfalls in der Form wie ich sie mir mit einem Kumpel bei einem Bier ausmalte. Die Realität sollte deutlich, sehr deutlich härter werden. Das erste Problem, das sich stellte war, daß ich gar nicht schweißen konnte, ich nicht mal ein Schweißgerät besaß. Überhaupt fehlte so einiges an (speziellen) Werkzeugen. Aber das Glück war mir hold in Form von Michael, der soeben eine Ausbildung in einem Betrieb für technischen Bedarf machte und im Laufe der Zeit einiges an Werkzeugen zu günstigen Tarifen besorgen konnte. Das brachte tatsächlich ungeahnte Vorteile mit, da er, mittlerweile einen 3.5er restaurierend, absolut vom Fach war und wir auch Teile von Erstausrüstern oder Zwischenhändlern mit einigen (manchmal auch sehr vielen) Prozenten beziehen konnten. Ohne seine Hilfe hätte ich die Sache wahrscheinlich nicht durchziehen können. Es war ja außerdem hilfreich, daß wir nebeneinander zur selben Zeit an ähnlichen Autos schraubten. Ein weiterer Vorteil war, daß teure Geräte zu zweit beschafft werden konnten, was die Kosten halbierte (schön gerechnet).
Schweißen konnte ich deswegen aber immer noch nicht. Zur Hilfe kam mir da ein netter kleiner 82er Fiat Panda „Primavera" mit Faltverdeck und getönten Scheiben, der erst mal als Übungsobjekt herhalten mußte. Lackiert in „Rosso bianco" absolvierte er auch irgendwann die TÜV-Prüfung und brachte sogar noch ein wenig Geld in die Kasse, da er leicht zu verkaufen war. Meine erste Erkenntnis war: Schweißen selber ist nicht so schwierig. Nur die Sauerei mit den Vorarbeiten, bis man endlich mal ein Blech ansetzen konnte. Zum Abgewöhnen. Egal. Ran an den 6.3er.
Zu allererst machte ich so einige Fotos (leider zu wenig) und zerpflückte das Auto so lange bis nichts mehr dran war. Die einzelnen Teile habe ich sortiert und gekennzeichnet, obwohl ich die meisten Teile dann doch erneuern mußte. Nachdem ich so auf das alles zurückblicke kann ich nur sagen, viele Fotos, viel Kennzeichnen und viel Ordnung sind von großem Vorteil.

Bild 6: "Das Ding ist (glaubt mir) einfach zu groß!"


Den Motor konnte ich allerdings nicht auf die übliche Weise, nach oben heraus, ausbauen, da mir dazu die Möglichkeiten fehlten. Das Ding ist einfach zu groß. Also umgekehrt, ungefähr so wie er da mal reinkam. Ich habe an die seitlichen Motorträger und hinten an das Getriebe kleine Räder montiert und schließlich die, deutlich leichtere, Karosserie angehoben (einfach mit einem Flaschenzug) und den Motor drunter weggezogen. So ließ etotal zerlegtr sich praktischerweise auch im Raum rumfahren. Die nunmehr sehr leichte Karosse stand jetzt restaurationsbereit auf 4 Böcken ca. 50 cm über dem Boden und wartete darauf, bearbeitet zu werden.
So zerlegt wie das Auto jetzt vor mir stand war klar, daß es wahrscheinlich kaum ein heiles, nicht vom Rost befallenes Blech gab. Da ich auch nicht auf eine Rahmenlehre zurückgreifen konnte, bestand die Gefahr, daß sich die Karosserie verzieht ("Wenn du hinterher eine Beule im Dach hast, ist was schiefgelaufen"). So wollte ich dann auch nicht alles auf einmal rausschweißen (mit eingeschweißten Stützen, Streben u.ä.), sondern Stück für Stück vorgehen. Immer eine Stelle völlig fertig machen und dann an der nächsten beginnen, damit die Karosserie eine gewisse Steifigkeit behalten konnte. Schließlich wollte ich hinterher nicht immer im Kreis fahren müssen.
So begann ich vorne links damit, die Stehwand (Radeinbau) über dem Längsträger abzubauen. Den Träger selbst bearbeitete ich mir der FIex und Drahtbürste bis nur noch strahlend silbernes Material sichtbar war. Bis dahin dachte ich noch silber = rostfrei. War aber nicht. Die porentiefe Beleuchtung des Trägers mit meinem 500-Watt-Strahler zeigte den eben noch so neu aussehenden Träger wieder reichlich bräunlich. Ich hatte also gerade mal den oberflächlichen Rost beseitigt. Hätte ich bereits hier Grundierung aufgetragen mit der Gewißheit der scheinbaren Rostfreiheit, die Enttäuschung wäre nur wenig später groß gewesen, da wieder sichtbarer Rost das zuvor glänzende Ergebnis vernichtet hätte - die Arbeit wäre umsonst gewesen. Also, die harte Tour. Runter mit der Drahtbürste, rauf mit der Schruppscheibe und dann ran an das Blech und nieder mit dem Rost. Es war fast unvorstellbar welche Menge von Roststaub mir entgegenrieselte. 

500 Watt Strahlertest (12kB)Nach dieser Behandlung bestand der Träger endlich den 500-Watt-Strahlertest (schräg anleuchten). Hier brachte es zwar nicht die Sonne, aber der Strahler an den Tag. Jedoch war diese Art der Rostbeseitigung nur an besonders dicken Blechen möglich (eben diese Längsträger, A-Säule u.ä.). Da diese rauhe Methode mangels Materialdicke an vielen anderen, aber nicht weniger rostigen Blechen somit nicht möglich war, ich das Auto aber unbedingt rostfrei haben wollte, hatte ich keine andere Möglichkeit als rostige Bleche weiträumig auszuschneiden und durch Neuteile zu ersetzen. Wie sich dann herausstellte war dies die arbeitsmäßig kleinste, dafür aber effektivste Methode, das Auto rostfrei zu bekommen.

Bild 8


Ein weiterer Vorteil ist, daß sich so kaum Stellen finden, an denen eBild 8 (8kB)ine Reparatur sichtbar ist. Natürlich war es nicht überall notwendig, komplette Bleche einzusetzen (obwohl dies vom optischen her toll gewesen wäre), da die Karosserie eventuell viel ihrer Steifigkeit einbüßen könnte und ich hinterher mangels Passungen alles versauen würde (Also, an das Einsetzen der Türen dachte ich hierbei noch gar nicht). Dennoch mußte ich die Stehwände vorne links und rechts einschließlich Stoßdämpferaufnahme, die Traverse vorne, die Außenschweller rechts und links, die Kotflügel hinten, das Heckmittelstück, den Kofferraumboden inklusive der beiden Mulden, sowie der Träger unter dem Kofferraum komplett erneuern, da diese Teile vollkommen verrostet waren. Vom Innenschweller war der mittlere Bereich in einem relativ guten Zustand, so daß hier nur der vordere Teil (bis zur Querverstrebung unter den Vordersitzen) und der hintere Bereich (von der B-Säule an) erneuert werden mußte. Dasselbe gilt für den Hauptboden vorne und hinten jeweils auf der Fahrer- und Beifahrerseite, den ich durch Einsetzen entsprechend großer Stücke aus dem Bodenneuteil reparieren konnte. Die Radkästen hinten waren bereits soweit verrostet, daß man von dort aus den Kofferraum beladen konnte. Hier setzte ich dann nicht nur den inneren Radlauf ein, mit dem später der Kotflügel verschweißt würde, sondern den als ganzes Teil erhältlichen Radkasten. So erhielt ich auch hier eine ansprechende Optik, da das bei vielen alten Benzen verwendete Reparaturblech im Radkasten zum Schweller hin nicht erforderlich wurde, sondern an dieser Stelle die originale Trennfuge von innerem und äußerem Radlauf sichtbar war. Ebenso gestaltete sich der Übergang an der anderen Seite des Radhauses zu den Mulden des Kofferraums. Insgesamt ein nicht zu verachtender Vorteil der großflächigen Fäulnis war also, das Einbringen von bestimmt rostfreien Neuteilen und daß man tatsächlich jeden Hohlraum freilegte, es also keine Stelle mehr gab, von der man vielleicht nachts träumen mußte, weil dort, hinter jenem Blech, ein Rostherd steckt, den man dann nicht mehr beseitigen konnte. So hatte ich mich also Stück für Stück vorgearbeitet, lernte immer mehr vom Schweißen und mußte einsehen, daß diese ganze Angelegenheit unsagbar teuer werden würde. Denn egal welches rostige Blech ich raustrennte, ich konnte sicher sein, daß das Blech dahinter noch rostiger war. Überall faustgroße Löcher (solange noch Blech da war, in das ein faustgroßes Loch überhaupt reinpaßte). Und das ist nicht mal übertrieben, eher die halbe Wahrheit (Die Fotos belegen das!).

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Bild 9: Egal welches rostige Blech ich raustrennte, ich konnte sicher sein, daß das Blech dahinter noch rostiger war


Um eventuellem späteren Rost die Arbeit so schwer wie möglich zu machen, strich ich auch die von Mercedes bereits hervorragend grundierten Bleche nochmals ein, da so manche Ecken, einmal eingeschweißt, nie wieder zugänglich sein würden. Die Stellen, die dennoch zu entrosten waren, mußte ich (zumindest an unzugänglichen Stellen) entweder Sandstrahlen oder ich verwendete (aber nur in Extremfällen) die Maschine der Fa. MINIMOT (eigentlich Modellbau), die mit einer zahnarztmäßigen Diamantbohrspitze (1,3 mm Durchmesser) bestückt, den Rostporen den Garaus machte (die dabei entstehenden Geräusche treiben einem eine Gänsehaut auf den Rücken). Die fertig eingeschweißten Teile (in der Regel wurde gepunktet) habe ich gereinigt und nochmals grundiert, um sie später sowohl oben als auch unten mit Karosseriedichtmasse langfristig gegen Feuchtigkeit zu schützen, die sich so gern zwischen den Blechen aufhält. Am Ende dieser Arbeiten stellte ich fest, daß, mal abgesehen vom Dach, nur der Getriebetunnel nicht verrostet war. Das aber nur, weil der Motor aufgrund grober Undichtigkeiten in diesem Bereich für eine geschlossene Öldecke gesorgt hatte.

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Auch wenn es den Eindruck machen sollte, als hätte ich die Karosserie mal eben restauriert bleibt festzustellen, daß allein dieser Abschnitt mit über 2 Jahren Dauer das übelste war, was man sich vorstellen kann. Schließlich bestand dieses Auto nur aus verrosteten und verbeulten Blechen. Der Begriff Ruine wäre fast noch ein Lob. So gab es auch Zeitpunkte, an denen ich den ganzen Mist hinschmeißen wollte. Hier zeigte sich aber ein Problem. Zusammengebaut und fahrbereit (wie ich es gekauft hatte) hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, den Ramsch zu verscherbeln. Aber so? Schließlich konnte so jede Oma erkennen, daß die Karosserie übelster Schrott war. Die Innenausstattung verhunzt, die Chromteile blind oder rostig oder beides, die Beleuchtung ohne Licht, die Leitungen verrostet, die Bremse fast ohne Funktion und ein ölender Motor, von dessen innerem Zustand mir auch nichts bekannt war. Was konnte an so einem Auto noch kaputt sein? Na, z.B. der Auspuff. Überflüssig zu erwähnen, daß auch der ... . Ich hatte aber schon mein ganzes Geld investiert, das ich im Falle eines Verkaufs endgültig verlieren würde. Ich mußte also durchhalten und weitermachen. Denn nur als Auto konnte ich von diesem Objekt noch Einnahmen erwarten. Damit ich weitermachen konnte, setzte ich folgende Prioritäten. Die Sachen, die später nur mit großem Aufwand zu reparieren sein würden (z.B. Blechteile) mußten ohne Kompromisse erneuert oder repariert werden. Das betraf ebenso viele Teile auf dem technischen Sektor wie die Bremsanlage (alles inkl. neuer Sättel usw.), Leitungen, Dichtungen, Lagerungen, Stoßdämpfer, Federbälge usw. . Andere Dinge wie Chrom, Glas, Teppiche, Innenausstattung u.ä. sollten erst einmal unberührt bleiben, da diese Sachen weniger der Sicherheit, als vielmehr der Optik dienen und auch noch später relativ einfach auszuwechseln sind. Das soll natürlich nicht heißen, daß ich nicht auch das eine oder andere mehr oder weniger wichtige Teil doch gekauft habe (z.B. neue Rückleuchten und Scheinwerfer, die Mercedes-Sterne, Typenzeichen und sowas). Dabei schluckte so manche "Kleinigkeit" so einiges Geld, wie z.B. die Wischerblätter der Scheinwerferreinigungsanlage (Neupreis für diese Sonderausstattung 1972 war 344,10 DM), für die ich bei einem Stückpreis von 180,00 DM (1991) fast 400,00 DM bezahlen mußte. Allerdings hielt die Anschaffung solcher Teile (Blickfang in jeder Wohnung) die Laune hoch.

 Breitseite (8kB) Schließlich kam der Zeitpunkt, an dem die Karosserie fertig und der schlimmste Abschnitt der Restaurierung zu Ende war. Ständig dreckig wie ein Bergmann nach Hause zu kommen. Jetzt sollte ein schönerer Abschnitt beginnen. Um die nun folgenden Arbeiten am Unterboden optimal durchführen zu können, legte ich die Karosserie auf die Seite. So konnte man arbeiten. Ich kontrollierte nochmals alle Schweißnähte, dichtete sie ab und strich den gesamten Unterboden erneut mit Grundierung. Sicher ist sicher. Anschließend kamen 17 l Steinschlagschutz dazu (das dicke Benz-Zeug, das nicht mal abfällt, wenn kein Blech mehr da ist, wollte ich nicht haben). Nach Möglichkeit sollte es auch nur ein Sommerauto sein. Da der ganze Boden nun so richtig hübsch aussah und ich mächtig motiviert war dachte ich mir, warum eigentlich nicht? Den ganzen Boden lackieren in - ikonengold!
Den Wagenboden in Wagenfarbe. So richtig mit KIarlack. Bestimmt würde auch dann der Dreck nicht mehr so gut haften und leichter zu entfernen sein. Gedacht, getan. Acht Meter Boden in ikonengold. Glänzend wie eine Speckschwarte. Spätestens hier wurde klar daß ich irre sein muß. Aber nur so geht’s. Denn jetzt wurde der Job interessant. Es war die Zeit gekommen, Neuteile anzubringen - endlich. Zuallererst kamen die Leitungen an die Reihe, von denen reichlich vorhanden waren: Brems-, Benzin- und Luftleitungen. Insgesamt sollten es so um die 20 m sein, die da gebogen wurden (Ich hatte übrigens ziemliches Glück als die Sachen geliefert wurden. Mein Freund mit dem 3.5er bekam die Leitungen als Rolle geliefert, so daß es fast unmöglich war, längere Geraden auch gerade sein zu lassen. Das paßte mir aber gar nicht, da ich die Leitungen, die teilweise zu dritt nebeneinander laufen, ganz gerne schön gerade gelegt hätte. Der Optik wegen. Aber das Bangen war umsonst, da meine Leitungen als fast 5 m langes Paket angekarrt wurden. Zu verdanken hatte ich das wohl der Benzinleitung des 6.3ers, die des Biegens unwillig ist, aufgrund ihres Durchmessers und ihrer Stärke. Mein Pech, ich holte die Lieferung mit meinem 75er Polo ab. Tja.

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PS: Wie hoch Mac's Ruin tatsächlich ausfiel und wer letztendlich der Mörder war, erfahrt Ihr im zweiten Teil der ultimativen Restaurierungsstory:

Part 2: Die Mechanik