TEIL 2

DIE KONZEPTION -w116(2)
IN ALLEN EINZELHEITEN

Die viertürige Limousine hat in allen drei Versionen eine mit der Rahmenbodenanlage verschweißte Ganzstahlkarosserie und kann auf Wunsch mit einem elektrisch betätigten Stahlschiebedach geliefert werden. Wie die Fahrzeuge der “neuen Generation" und die 350 SL/SLC-Sportwagen haben auch die Modelle der S-Klasse eine Schräglenker-Hinterachse. Die Vorderräder sind einzeln an Doppel-Querlenkern aufgehängt, die über Schraubenfedern mit Gummizusatzfedern, Drehstab-Stabilisator und Gasdruck-Stoßdämpfer abgestützt werden

Unten: Die beiden Skizzen ganz oben zeigen Vorentwürfe mit angehobener Heckpartie für die neue Mercedes-Benz-S-Klasse. Sie stammen aus dem Jahre 1968.

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Die exakte MB-Servo-Lenkung, die bisher bei den großen Typen zu 75 % als Extra eingebaut wurde, ist bei der neuen S-Klasse Ausrüstungs-Standard, während der Kunde nach wie vo116(10)r zwischen einem handgeschaltetem 4-Gang- oder 5-Gang- Getriebe (aber nur bei dem 280 S und 280 SE) wählen kann.

Auf dem linken Bild ist eine Attrappe des neuen Typs im Original-Maßstab zu sehen die in der äußeren Erscheinung wie ein richtiges Automobil aussieht. Sie wird hier gerade aus dem Stilisten-Saal herausgefahren.

116(12)Für die Sechszylinder- Reihenmotoren gibt es die bewährte Getriebeautomatik, die aus einer hydraulischen Kupplung, einem 4-Gang-Planetengetriebe besteht. Der V8-Motor des 350 SE ist ausschließlich mit der neuen Drei-Stufen- Automatik mit hydraulischem Wandler zu haben, die bisher nur in Verbindung mit dem 4,5 Liter V8-Motor der 350 SL-Typen nach USA geliefert wurde. Praktisch bleibt Daimler-Benz dem Viergang-Getriebe treu, aber die vorgeschaltete hydraulische Kupplung, die bisher nur Anfahrglied war, wird ein Teilgang, d.h. sie bringt eine zusätzliche Drehmoment- Wandlung, die die Anfahr- Steigfähigkeit 116(14)erheblich verbessert. Ein Plus an Sicherheit und Anfahrleistung, das Caravan-Fahrer besonders interessieren dürfte. Als Sonderwunsch kann bei dem V8-Modell auch ein Sperrdifferential eingebaut werden. Für alle drei Versionen ist noch eine Niveauregulierung zu haben, die anstelle von Stoßdämpfern über teiltragende Federbeine mit Stoßdämpfung verfügt.

Als Extra ist für den 350 SE noch eine hydropneumatische Rundumfederung vorgesehen. Die Frontscheibe besteht aus Verbundglas, alles andere ist vorgespanntes Sicherheitsglas. Normalerweise werden die Fenster durch kurbeln versenkt, elektrische Fensterbetätigung gehört zur Sonderausstattung. Das gleiche gilt auch für die elektrisch beheizte Heckscheibe, die elektrische Scheinwerfer-Reinigungsanlage und die Unterdruck-Zentral-Türverriegelung. 116(15a)Die Scheinwerfer haben asymmetrisches Abblendlicht, können aber auch mit Halogen-H-4-Glühlam-pen versehen werden. Die Vordersitze sind auf Kugelschienen gelagert und entsprechend verstellbar. Der Fahrersitz außerdem noch in der Höhe zu verstellen, um beste Adaption an das Auto zu ermöglichen. Die Vordersitzlehnen weisen Liegesitzbeschläge auf, d.h. sie sind bis zur Horizontalen stufenlos zu schwenken. Befestigungspunkte für Sicherheitsgurte sind vorhanden, Kopfstütze gibt es als Extra. Heizung, Belüftung und Scheiben-Entfrostung ist ein von der Fahrgeschwindigkeit weitgehend unabhängige Anlage. Sie besitzt ein sehr leise laufendes dreistufiges Radialgebläse, einen Wärmetauscher und eine Hauptluftklappe im Gebläsegehäuse. Die Wärme-Regulierung geschieht durch Luftmischung und ist für Fahrer und Beifahrer getrennt einstellbar. Auch die zur Windschutzscheibe oder in den Fußraum strömende Luftmenge ist getrennt zu regulieren, dasselbe gilt für die Seitenscheiben-Entfrostung. Wie beim 350 SL können auch die großen Limousinen mit einer Klimaanlage versehen werden, die so in den Aufbau integriert ist, daß sie die Insassen nicht behindert. Wie bei den Sportwagen, so lassen sich auch bei den Limousinen jetzt die Türen beheizen. Außerdem führen zwei Heizkanäle zum Fond-Fußraum.116(11)

 

DER COMPUTER

ALS KONSTRUKTIONS-HELFER

 

Einst entwickelte man ein Konzept mit ganz bestimmten Raumvorstellungen, um in einer angepeilten Preisklasse ein formal und technisch befriedigendes Modell zu erstellen. Fingerspitzengefühl, durchlebte Erfahrung und ausgiebige Tests ließen das Modell allmählich serienreif werden. Heute spielt zwar die Konzeption nach wie vor eine wichtige Rolle und such die Arbeit des Stilisten läßt sich durch nichts ersetzen, aber während man früher erst in langwierigen Versuchen konstruktive Schwachstellen aufsuchen mußte, um den Wagen Gestalt werden zu lassen, wird heute schon weit vorausschauend mit Computer-Unterstützung konstruiert, um optimierte Prototypen zu erstellen und um Entwicklung und Fertigung zielstrebig zu rationalisieren.

Praktisch hat sich aus Zahlen, komplizierten Rechnungen und unvorstellbar genau arbeitenden Zeichenmaschinen ein völlig neues Entwicklungsverfahren herauskristallisiert. Das war nötig, um zuverlässig, schnell und sicher eine Karosserie zu entwickeln, die in puncto Steifigkeit und Festigkeit allen auf sie einwirkenden Kräften gewachsen ist. Mit anderen Worten: Sicherheit als Konstruktionsprinzip hat Vorrang. Mit dem ESEM-Verfahren116(01a), einer von Daimler-Benz entwickelten Methode zur Festigkeitsberechnung komplizierter Strukturen, kann man mit Hilfe von Stäben, Flächen, Raumelementen und genauen Werkstoffdaten wie aus einem Baukasten eine der Karosserie-Struktur entsprechende Ersatz-Struktur bilden. Diese aneinandergefügten Elemente führen zu einem riesigen Gleichungs-System, das rechnerisch vom Computer gelöst wird. Auf diese elegante Weise läßt sich die Beanspruchung der Karosserie an jeder beliebigen Stelle unter allen vorgegebenen Belastungen exakt vorausberechnen.

Während einst das von den Stillsten entworfene Modell zuerst in mühseliger Kleinarbeit gezeichnet werden mußte, um durch Schnitte in allen Dimensionen das Fahrzeug als plastisches Gebilde erstehen zu lassen, ist man in Sindelfingen davon ganz abgegangen. Ausgangspunkt der Datenverarbeitung im modernen Karosseriebau ist ein 1:5-Modell des künftigen Autos, das zuerst automatisch abgetastet wird. Und zwar wird jeder Punkt, der die Lage im Raum bestimmt, elektrisch als Zahlenfolge fixiert, d.h. die Signale werden in eine digitale Form umgesetzt und auf Lochstreifen gespeichert. Danach werden dann mit unvorstellbarer Genauigkeit und Geschwindigkeit Zeichnungen im Maßstab 1:1 erstellt. Das ist die Grundlage für das erste Modell, in das man sich hineinsetzen kann, um zu beurteilen, ob der Wagen der angestrebten Konzeption entspricht.116(06)

Wenn alle notwendigen Korrekturen und stilistischen Retuschen angebracht sind, wird das Modell erneut abgetastet und der Konstrukteur beginnt jetzt mit Hilfe des skizzierten Verfahrens die Karosserie-Struktur so zu berechnen, daß sie allen Sicherheite-Anforderungen entspricht. Auf diese Weise wird das Konstruktionsbüro weitgehend von zeitraubender Routinearbeit entlastet. In weiteren Entwicklungsphasen werden dann Fahrwerk, Motoren, Getriebe und Einzelteile, die zuvor gesondert entwickelt und erprobt wurden, zu einem kompletten Fahrzeug zusammengestellt. Damit geht es auf die Zeichenmaschine und es entsteht wiederum mit Rechner-Unterstützung ein abgespeichertes mathematisches Flächenmodell, mit dessen Hilfe später zugleich die Werkzeugmaschinen für die Serienfertigung der Karosserien gesteuert werden.

Das ist in ganz großen Zügen der ,,rote Faden" vom 1: 5116(16)-Modell bis zum Serien-Anlauf. Der Aufwand ist beträchtlich, aber er zahlt sich letzten Endes durch Zeitgewinn, höhere Genauigkeit und damit durch geringe Nacharbeit doch aus. Auf diese Weise entstand unter Einsatz modernster technischer Erkenntnisse und Konstruktionsmethoden auch

die neue S-Klasse vonDaimler-Benz.*

Links: Das ist der neue Zwei-Nockenwellen- Sechszylinder-Reihenmotor in Einspritz- und Vergaser-Version zu 185 bzw. 160 PS. Links außen: Der 3,5 Liter V8-Zylinder-motor des 350 SE, der 200 PS bei 5800 U/min leistet. Links: Das ,,Cockpit" des 350 SE mit Knüppelschaltung, Sicherheitslenkrad mit Pralltopf und übersichtlich angeordneten Rundinstrumenten.